Nanuk, der Eskimo (Originaltitel: Nanook of the North) war der erste lange amerikanische Dokumentarfilm, der ein weites Publikum begeisterte; er wurde von Robert J. Flaherty im Jahr 1922 produziert. Der Film gilt als einer der bedeutendsten Dokumentarfilme der Stummfilmära und wird oft fälschlicherweise als der erste Dokumentarfilm in Spielfilmlänge bezeichnet. Tatsächlich stammen die ersten Dokumentarfilme mit einer Laufzeit von über 60 Minuten vom deutschen Bergfilmpionier Arnold Fanck (Das Wunder des Schneeschuhs, D 1919/20; Im Kampf mit dem Berge, D 1920/21). Außerdem wird der Film von einigen Autoren als erster ethnographischer Film bezeichnet.
Der Film begleitet über mehrere Wochen den Eskimo Nanuk und seine Familie, die aus den beiden Ehefrauen Nyla und Cunayou, dem jungen Sohn Allee und dem viermonatigen Baby Rainbow besteht. Dokumentiert wird das alltägliche Leben und die Arbeit, wie Robben- und Walrossjagd, Fischfang, Iglubau, Fellhandel, Pflege der Kinder und Betreuung der Schlittenhunde. Neben der Schönheit der Natur und der naiven Fröhlichkeit der Menschen wird auch die Härte des arktischen Lebens dargestellt. Die Familie gerät bei einem plötzlichen Schneesturm in Lebensgefahr, und sie wird von Hunger und Verzweiflung geplagt.
Flaherty wurde dafür kritisiert, in seinem Film auf trügerische Weise inszenierte Ereignisse als Realität darzustellen. „Nanuk“ hieß in Wirklichkeit Allakariallak. Flaherty wählte diesen Namen wegen seiner scheinbaren Authentizität, die ihn für das euro-amerikanische Publikum besser vermarktbar macht. Auch die im Film gezeigte „Ehefrau“ war nicht wirklich Nanuks Frau. Laut Charlie Nayoumealuk, der in Nanook Revisited (1990) interviewt wurde, waren die beiden Frauen im Film – Nyla (Alice [?] Nuvalinga) und Cunayou (deren richtiger Name nicht bekannt ist) – nicht Allakariallaks Frauen, sondern lebten in wilder Ehe mit Flaherty. Und obwohl Allakariallak bei der Jagd normalerweise ein Gewehr benutzte, regte Flaherty an, er solle so jagen wie seine Vorfahren es taten, um die Lebensweise der Inuit vor der europäischen Kolonialisierung Amerikas einzufangen. In den 1920er Jahren, als Nanuk gedreht wurde, hatten die Inuit bereits begonnen, westliche Kleidung zu tragen und zur Jagd wurden statt Harpunen eher Gewehre verwendet. Dieser Sachverhalt stieß später auf Kritik bei den Anhängern des Cinéma vérité.
Darüber hinaus wurde der Film dafür kritisiert, dass Inuit als untermenschliche arktische Wesen ohne Technologie oder Kultur dargestellt werden. Dadurch werden stereotype Abbildungen arktischer Völker in der westlichen Vorstellungswelt reproduziert, die diese außerhalb der modernen Geschichte positionieren. Der Film gilt als Artefakt der damaligen Populärkultur und auch als Resultat einer historischen Faszination für Inuit-Darsteller in Ausstellungen, Zoos, Jahrmärkten, Museen und im frühen Kino.
Der Film ist im Jahr 1989 in das National Film Registry aufgenommen worden.