The Killing of a Sacred Deer, Irland/ UK (DVD), 2017
Regie: Giorgos Lanthimos
Mit Colin Farrell, Nicole Kidman, Barry Keoghan
The Killing of a Sacred Deer (engl. für „Die Tötung eines heiligen Hirsches“) ist ein Thriller von Giorgos Lanthimos, der am 22. Mai 2017 im Rahmen der Internationalen Filmfestspiele von Cannes seine Weltpremiere feierte und im internationalen Wettbewerb um die Goldene Palme konkurrierte. Der Film wurde von den Geschichten um Iphigenia des griechischen Dramatikers Euripides inspiriert.
Der angesehene Herzchirurg Steven Murphy führt mit Anna, die als Augenärztin eine Klinik leitet, der pubertierenden Tochter Kim und dem jüngeren Sohn Bob ein erfülltes Familienleben. Seit einiger Zeit trifft sich Steven öfter mit dem 16-jährigen Martin, einem Teenager aus eher einfachen Verhältnissen, dessen Vater vor zwei Jahren bei einer von Steven durchgeführten Herzoperation gestorben ist. Steven hat Mitleid mit dem Jungen und auch Schuldgefühle, da er seinerzeit Alkoholiker war und bei der Operation unter Alkoholeinfluss stand. Martin sucht in Steven einen Ersatzvater. Steven geht darauf ein Stück weit ein, macht Martin Geschenke und lädt ihn irgendwann zum Essen zu seiner Familie ein. Dort beginnen Martin und Kim einander zuzuneigen. In der Folge bedrängt Martin Steven immer penetranter. Er sucht ihn bei der Arbeit auf und ist öfter bei den Murphys zu Besuch. Als Martin Steven zu einem Gegenbesuch einlädt, versucht er Steven mit seiner Mutter zu verkuppeln, die auch reges Interesse zeigt. Steven verlässt fluchtartig das Haus und versucht, den Kontakt mit Martin zu reduzieren. Martin reagiert zornig.
David Rooney von The Hollywood Reporter sagt, die beeindruckende Strenge, mit der Giorgos Lanthimos seinem Handwerk nachgehe, die gewandt gedämpfte Intensität der Darstellungen durch die Schauspieler und die überraschende Originalität der Geschichte machten The Killing of a Sacred Deer für jeden unumgänglich, der sich für kühnes Filmemachen interessiert.
Der Regisseur, der ein Meister der leicht gebrochenen Dialoge sei, so in einer Kritik zum Film der APA, zeichne mit seinem Film eine gefühlte Künstlichkeit, die der Betrachter spüre, wie beispielsweise in verschiedenen Gesprächen, die nur um mikroskopische Dimensionen verschoben sind und dadurch im Stile von David Lynch ein Unwohlsein verbreiteten. Aufgelöst werde dieser Kosmos am Ende nicht, sondern bleibe als Parabel, als Mythos von antiker Dimension, in sich bestehen und entfalte dabei eine Wucht, die im Kino in dieser Intensität selten zu finden sei.
Auch Thomas Assheuer von Zeit Online beschreibt den Film als einen Albtraum aus Schuld und Sühne und ein grausames Kammerspiel: „Ganz langsam, fast unmerklich öffnet sich unter der Oberfläche einer vernünftigen und aufgeklärten Gesellschaft ein abgründiger mythischer Raum voller Leiden und seelischer Qual. Es beginnt eine moderne Tragödie.“ Steven, der Mann mit dem Agamemnon-Bart, müsse seine Schuld abtragen und ein Sühneopfer bringen, so Assheuer weiter, und Lanthimos betreibe im Film das, was intellektuell saturierte Kreise verächtlich als Kulturkritik bezeichnen. The Killing of a Sacred Deer sei eine gesellschaftliche Hochrechnung, und der Film handele vom Verschwinden der Freiheit in der Gegenwart, jedenfalls sei das Leben von einer mysteriösen Lähmung befallen und erschöpfe sich in seiner routinierten Verrichtung: „In der gelifteten Monotonie der Familie Murphy luxuriert das Dasein selbstgenügsam vor sich hin, freudlos und schematisch, ohne Gespür für Glück, für Schmerz und Schuld. Das Herz ist keine Metapher, es ist nur ein körpertechnisches Organ, wie überhaupt das Leben vor allem Biologie ist.“ Martin sei für Lanthimos kein legitimer mythischer Held, so Assheuer, sondern der personifizierte Wahn, ein Junge, der an seinem Schmerz irre wurde und grausamer sei als die antike Erzählung.