Müde, ratlos, ungekämmt präsentierte sich die Band vor 18 Monaten auf ihrer zweiten Platte. Jetzt kommt das neue Album des Quartetts aus dem Ruhrgebiet und signalisiert ein Ende der Ratlosigkeit. Stereo heißt es, was die 13 neuen Songs clever auf den Punkt bringt. So klingt eine Band, die heute, jetzt und hier lebt, inzwischen aber auch auf ein gemeinsames Jahrzehnt zurückblicken kann. Vor rund fünf Jahren erschien das erste Album Planet der Affen auf dem kleinen Label Tonhaus. Die Medien zeigten sich beeindruckt. Mit dem Titelstück gelang gar der Sprung ins Musikfernsehen, die Immergut -Gemeinde empfing die Band vom anderen Ende der Republik mit offenen Armen. Ein Jahr später folgte das zweite Album und das Debüt auf V2, auf dem sich neben Indierock-Hymnen en masse auch experimentierfreudige Songs wie Rhythmuskäfer oder Keine Zeit zum Nichtstun wiederfanden, die hörbar aus dem Rahmen fielen. Auch auf Stereo beweisen Astra Kid Mut zur Veränderung, und die konsequente Weiterentwicklung des Vierers führt nun zu mehr als nur Novelty-Songs.
Das zweite Album war die Experimentierphase, die neue Platte dagegen ist jetzt die Essenz dessen, was die Band ausmacht. Sie ist das, was wir in den letzten Jahren entwickelt haben, sagt Sänger und Gitarrist Stefan Pele Götzer. Wie Recht er doch hat! Der Sound der neuen Songs ist direkter, rockiger, mit einem Wort: lebendiger geworden. Doch nicht nur deshalb ist Stereo produktionstechnisch ein Riesenschritt nach vorne. Dieses Mal gelingt es der Band noch besser als zuvor, die aufgeladene Atmosphäre ihrer energiegeladenen Liveauftritte bei den Plattenaufnahmen einzufangen. Deshalb klingen Stücke à la Außer Kontrolle nun endlich auch in der Studioversion so wie auf der Bühne. Dennoch passen die balladesken Akustikmomente von Morgen sagen wir genauso bruchlos ins (Klang-)Bild wie das Duett Immer Heute. Das passt ganz großartig zu einer Band, die trotz aller Ambitionen und eines nicht wegzudiskutierenden Coolnessfaktors auch weiterhin durch grundehrliche Bodenhaftung besticht. Das gilt auch für die Gesangsverstärkung bei Unsinkbar, der hymnischen Singleauskopplung des Albums. Das war in erster Linie ein kleiner Wunsch, der damit für mich in Erfüllung gegangen ist, denn bei Unsinkbar' und Neulich' singen meine beiden Schwestern mit, erzählt Pele. Ich fand das von der Klangfarbe her interessant, und trotzdem ist es immer noch sehr familiär geblieben.
Doch Familienbande sind nicht alles: Wir haben versucht, gemeinsam einen Sound zu entwickeln, bei dem man hört: Aha, das sind jetzt Astra Kid!', wenn man nur die ersten zwei, drei Takte hört, erläutert Pele. Wer Komm an oder Explodieren (das vielleicht beste Beispiel für das neue, klare Rock-Verständnis der Band) hört, weiß, dass ihnen das auch ohne Zweifel gelungen ist.
Trotzdem: Ein Schelm, wer denkt, Astra Kid würden nun versuchen, als Trittbrettfahrer auf den Hype deutschsprachiger Rockmusik aufzuspringen. Nur zu gut wissen die vier, dass diejenigen, die heute modern sind, morgen schon wieder aus der Mode sind. Deshalb amüsiert Pele die Frage nach der Szenezugehörigkeit auch eher. Das Lustige ist ja, dass jedes Mal, wenn wir ein Album veröffentlichen, so etwas passiert. Als Planet der Affen rauskam, waren gerade Echt bekannt, bei Müde, ratlos, ungekämmt gab es jede Menge Bands aus Hamburg, und jetzt sind es die zweite deutsche Welle Bands. Wir fühlen uns nicht dazugehörig, weil wir einfach unser Ding machen. Wir schauen da nicht drauf. Ich mag gute Musik, und dabei ist es mir egal, ob sie deutsch- oder anderssprachig ist.
Sie ist also immer noch da, die alte Punkrock-Attitüde, nicht nach den Regeln spielen zu wollen und das Fähnchen auf keinen Fall in den Wind zu hängen. Das hat sich inzwischen herumgesprochen, und so konnten sich Astra Kid nach der Veröffentlichung des letzten Albums neben unzähligen eigenen Konzerten und Festivalauftritten auch ausgiebig auf großen Bühnen austoben und begleiteten Wir Sind Helden oder auch die Stereophonics. Inzwischen haben einige Heldenverehrer, die damals in den ersten Reihen standen, sogar eigens Astra-Kid -Fanclubs gegründet.
Astra Kid ließen sich schon immer von amerikanischem und britischem (Alternative-)Rock inspirieren, aber auch bei den Vertretern der jüngeren deutschen Rockmusik haben sie hingehört. Schließlich ist das Quartett keinesfalls plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht, sondern hat sich seit Mitte der 90er kontinuierlich nach oben gearbeitet und aus Erfahrungen gelernt. Auf dem neuen Album gibt es Zeilen wie Die Zeit dauert ewig, wenn sie lange weilt, beeilt sich nur, wenn man sie wirklich braucht, die nicht weniger clever sind als die Wortspiele auf dem Vorgängeralbum, aber vermehrt den Blick über den Tellerrand hinaus wagen.
Wie heißt es doch so treffend bei Monokultur? Lass dein monotones Leben liegen, leb' in stereo Astra Kid tun es auch!
Homepage Astra Kid: www.astrakid.de