Mit Alexander Antonow, Wladimir Barski, Grigori Alexandrow
Panzerkreuzer Potemkin (russischer Originaltitel Броненосец Потёмкин/Bronenossez Potjomkin; [pʌtˈjɔmkin]) ist ein Stummfilm des Regisseurs Sergei Eisenstein aus dem Jahr 1925. Er wurde am 21. Dezember 1925 im Moskauer Bolschoi-Theater als offizieller Jubiläumsfilm zur Feier der Revolution des Jahres 1905 uraufgeführt. Als Propagandafilm sollte Panzerkreuzer Potemkin starke emotionale Reaktionen im Sinne der sowjetischen Massenideologien hervorrufen. Er geht aber in Form und Inhalt über simple Propaganda weit hinaus und wurde mehrfach als einer der einflussreichsten und besten Filme aller Zeiten ausgezeichnet.
Die Handlung lehnt sich sehr frei an die tatsächlichen Ereignisse des russischen Revolutionsjahres 1905 an, die Meuterei der Besatzung des russischen Kriegsschiffs Knjas Potjomkin Tawritscheski gegen ihre zaristischen Offiziere. Die Bezugnahme auf eine gescheiterte Revolution in einem Propagandafilm ist schlüssig, wenn man die leninistische Revolutionstheorie berücksichtigt: Der aufbegehrenden Masse fehlten demnach die für das Gelingen notwendigen Berufsrevolutionäre und die Kaderpartei, als die sich später die Bolschewiki erweisen würden. Die Figur des Wakulintschuk wird zu früh getötet und gerät eher zufällig in die revolutionäre Situation, als dass sie diese Rolle übernehmen könnte. Sergei Eisenstein selbst beschreibt sein Werk als eine tragische Komposition in ihrer kanonischsten Form – eine Tragödie in fünf Akten. Entsprechend werden in diesem Werk auch fünf aufeinander folgende Akte durch Zwischenüberschriften klar unterschieden[.]
Die Handlung in Panzerkreuzer Potemkin tritt hinter dem Ansatz der Attraktionsmontage Eisensteins zurück. Eisenstein geht es darum, durch Montage den Zuschauer in Hinblick auf eine bestimmte ideologische Schlussfolgerung zu „bearbeiten“, emotionale Affektreaktionen hervorzurufen. Wie der Medienwissenschaftler Wolfgang Beilenhoff bemerkt, sei der Film im Kontext der sowjetischen Massenutopien entstanden und konstruiert eine auf Gleichheit basierende Menschenmasse. In der berühmten Treppenszene wird diese gewaltsam dekonstruiert. Hierbei soll Mitleid erzeugt und Affekt beim Zuschauer hervorgerufen werden. Dementsprechend schematisch sind die Akteure der Handlung gezeichnet. Es dominieren Typen (Matrose, Offizier, Bettler, Aristokrat, Bürger, Mutter) statt individualisierter Personen. Nur der erste Anführer und zugleich erste Märtyrer der Meuterei (Wakulintschuk) wird individuell gezeichnet. Eisenstein testete in diesem Film, der absichtlich im Stil kommunistischer Propaganda gehalten ist, seine Theorien der Filmmontage, wobei die Praxis in die Theoriebildung zurückwirkte. In der extremen, bis ins kleinste Detail gehenden Durchdringung von Form und Inhalt geht der Film letztlich über simple Propaganda hinaus. Die frühen russischen Filmemacher der Kuleschow-Schule experimentierten mit der Wirkung von Filmen auf das Publikum. Eisenstein schnitt den Film in der Weise, dass eine möglichst starke emotionale Reaktion hervorgerufen werden sollte. Ziel war es, Sympathie für die rebellischen Matrosen und Antipathie gegenüber den tyrannischen Vorgesetzten zu erregen. Die Handlung ist einfach gehalten, um dem Publikum klar vor Augen zu führen, mit welchen Handlungsträgern es sympathisieren soll.
Die bekannteste Szene ist das Massaker auf der Treppe zum Hafen von Odessa: Zaristische Soldaten marschieren in rhythmischem Schritt eine endlos lang erscheinende Treppe hinunter, während sie in eine Menschenmenge feuern, die auf der Treppe nach unten zu fliehen versucht. Dabei entgleitet einer verletzten Kinderschwester der Kinderwagen und trudelt, ohne aufgehalten zu werden, hinunter. Diese Szene wurde später unzählige Male in Filmen imitiert. Eine der berühmtesten Hommagen findet sich in Brian De Palmas Version von The Untouchables – Die Unbestechlichen (1987). Auch Woody Allen spielte auf diese Szene in seinem Film Bananas an; ebenso Terry Gilliam in Brazil, wo der Kinderwagen durch einen Bodenreiniger mit Schläuchen ersetzt wird. Originalszenen des Massakers auf der Treppe wurden für das Video zum Song Intervention (2007) der Indie-Band Arcade Fire benutzt. Schließlich fand sie Eingang in die von Frank Castorf verantwortete Inszenierung von Wagners Tetralogie Der Ring des Nibelungen bei den Bayreuther Festspielen 2013, wo in der Götterdämmerung ein mit einem Kartoffelsack beladener Kinderwagen über eine lange Treppe hinunterfährt. Obwohl die Szene in dieser Form fiktiv ist, machte sie die Potemkinsche Treppe von Odessa berühmt. 1957 malte Francis Bacon sein Bild Study for the Nurse in the Battleship Potemkin, das im Frankfurter Städel hängt. Er war vom Schrei der Kinderschwester auf der Treppe, der ins Auge geschossen wird, so beeindruckt, dass er ihn zu seinem berühmten Gemälde Papst Innozenz X. inspirierte. Panzerkreuzer Potemkin wurde als einer der einflussreichsten Filme aller Zeiten bezeichnet und mehrfach, unter anderem in den 1950er-Jahren vom britischen Kinomagazin Sight & Sound und 1958 auf der Weltausstellung in Brüssel, zum „besten Film aller Zeiten“ gekürt.
2003 erstellte die Bundeszentrale für politische Bildung in Zusammenarbeit mit zahlreichen Filmschaffenden einen Filmkanon für die Arbeit an Schulen und nahm diesen Film in ihre Liste mit auf.
„Eine bis dahin unbekannte Rhythmik und Dynamik des Schnitts macht den Revolutionsfilm zu einem besonders eindringlichen Werk, das die Herrschenden und Beherrschten polemisch kontrastiert und den Zuschauer über den Weg der Emotionen zu politischen Erkenntnissen führen will. Nicht nur filmhistorisch, sondern auch als Lehrstück für filmische Agitation interessant.“ Lexikon des internationalen Films