Dr. Seltsam Oder: wie ich lernte, die Bombe zu lieben (40th Anniversary Edition), UK/ USA (DVD), 1964
Regie: Stanley Kubrick
Mit Peter Sellers, George C. Scott, Sterling Hayden, Slim Pickens
Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben (Originaltitel: Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb) ist ein satirischer Film von Stanley Kubrick aus dem Jahr 1964 über den Kalten Krieg und die nukleare Abschreckung. Er basiert auf dem Roman Bei Rot: Alarm! Der Roman des Drucktastenkriegs (Originaltitel: Red Alert) von Peter George.
Der Film schildert, wie der geistesgestörte US-Air-Force-General Jack D. Ripper auf eigene Faust versucht, einen Atomkrieg gegen die Sowjetunion auszulösen, indem er den ihm unterstellten B-52-Bombern auf dem Luftwaffenstützpunkt Burpelson den Befehl zum Angriff erteilt. Ripper ist von einem sowjetischen Geheimplan überzeugt, dem er zuvorkommen will; angeblich sollen die „wertvollen Körpersäfte“ der Menschen in den USA unter anderem durch Fluoridierung des Trinkwassers zersetzt werden. Seine Untergebenen hat er instruiert, den Stützpunkt unter allen Umständen zu verteidigen, da „die Roten“, womöglich gar als amerikanische Soldaten verkleidet, die Basis angreifen könnten. Außerdem hat er zur Unterbindung von Täuschungsmanövern des Gegners alle Telefon- und Datenverbindungen kappen und alle Radiogeräte einsammeln lassen. Bei einer Krisensitzung im War Room des Pentagons informiert General Buck Turgidson US-Präsident Muffley über die Situation. Die Bomber seien auf dem Weg und könnten nicht mehr zurückgerufen werden, die Sowjetunion würde mit Sicherheit zurückschlagen. Turgidson schlägt dem Präsidenten daher vor, alle verfügbaren Atomwaffen gegen die Sowjetunion einzusetzen, um so den vollständigen Sieg zu erringen. Die eigenen Verluste könnte man so bei 25 Millionen Toten halten, was gegenüber 150 Millionen bei zögerlichem Handeln noch als Erfolg gewertet werden könnte.
Der Star des Films ist Peter Sellers. Er spielt gleich drei Rollen, wobei er einen Teil der Dialoge improvisierte. Der Film spielt im Wesentlichen in Echtzeit. Zunächst sollte es eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der nuklearen Bedrohung werden, doch je intensiver sich Kubrick mit der Materie beschäftigte, desto wahnsinniger erschien ihm das Thema. Durch die Einbeziehung von Komikautoren gelang es ihm, die beklemmende Mischung aus tatsächlich vorstellbarem Wahnsinn in all seiner bestechenden Logik und absurder Komik zu einer zeitlosen Bestandsaufnahme menschlicher Allmachtsphantasien werden zu lassen. Die in einem früheren Stadium erwogene Idee, das Geschehen als von Außerirdischen gefundene Dokumentation der Zerstörung der Welt zu präsentieren, ließ Kubrick wieder fallen. In 2001: Odyssee im Weltraum hatte er eine ähnliche Idee, entfernte jedoch kurz vor der Premiere den Off-Erzähler wieder. Dr. Seltsam war in den 1960er-Jahren Gegenstand einer Kongressdebatte. [Ken] Adam zufolge bat Ronald Reagan Anfang der 1980er-Jahre bei seiner Amtseinführung als Präsident der Vereinigten Staaten darum, den War Room im Weißen Haus gezeigt zu bekommen, den er aufgrund des Films für tatsächlich existent hielt. Der Film hatte sich so sehr in das kulturelle Gedächtnis vieler eingegraben, dass die Begebenheiten gemeinhin wahrgenommen wurden, als hätten sie tatsächlich stattgefunden. Ronald Reagans Frage war indes gar nicht so weit von der Realität entfernt, wie es im ersten Moment scheint: Die englische Regierung hatte während des Zweiten Weltkriegs in London geschützte War Rooms. Diese sind heute eine vielbesuchte Touristenattraktion.
Kubrick plante in den 1990er-Jahren eine Fortsetzung des Films, bei der er jedoch nur noch als Produzent fungieren wollte, ähnlich wie er es für A.I. – Künstliche Intelligenz geplant hatte. Regie sollte Terry Gilliam führen. Die Vorbereitungen bzw. Dreharbeiten zu A.I. und Eyes Wide Shut verschoben das Projekt jedoch immer wieder, sodass es nicht mehr zustande kam.
„Kubricks böse Atomkriegssatire zeigt die militärischen und politischen Umtriebe konsequent als Pandämonium des Irrsinns. Die groteske Stilisierung der Figuren und Schauplätze entlarvt das ‚Gleichgewicht des Schreckens‘ als labiles Konstrukt, das jederzeit durch banale Zufälle und menschliche Schwächen zum Albtraum werden kann. Einer der radikalsten, bittersten und treffsichersten Filme zum Thema.“ Lexikon des internationalen Films