Mit Dirk Bogarde, Björn Andrésen, Silvana Mangano, Romolo Valli, Mark Burns, Marisa Berenson, Nora Ricci
Tod in Venedig (Originaltitel: Morte a Venezia) ist der Titel eines Films von Luchino Visconti aus dem Jahre 1971. Er beruht auf der Novelle Der Tod in Venedig von Thomas Mann und gehört zu den bekanntesten Adaptionen des Schriftstellers. Von der Vorlage ausgehend schildert Visconti die Entwürdigung Gustav von Aschenbachs, dargestellt von Dirk Bogarde, der dem schönen Knaben Tadzio verfällt, ihn heimlich beobachtet und verfolgt und trotz der sich ausbreitenden Cholera die todbringende Stadt nicht verlässt. Anders als in der Novelle ist der Reisende kein berühmter Schriftsteller, sondern ein gescheiterter und kränkelnder Komponist. Mit der detaillierten Beschreibung Venedigs, der Atmosphäre von Dekadenz und Verfall und der spätromantischen Musik Gustav Mahlers gilt der Film vielen Kritikern als Viscontis bedeutendstes Werk und leitete andere Literaturverfilmungen ein, die sich mit Fragen und Problemen medialer Interpretation literarischer Werke beschäftigten. Wie Bogarde selbst angab, war die Rolle des zerrissenen und scheiternden Mannes der Höhepunkt seiner Laufbahn.
Der Komponist Gustav von Aschenbach befindet sich in einer künstlerischen Krise und reist nach Venedig, wo er sich auf Anraten seiner Ärzte erholen soll. Ein Dampfschiff, das den Namen Esmeralda trägt, gleitet im Morgengrauen in die Lagune der Stadt, während das Adagietto aus Mahlers 5. Sinfonie zu hören ist. Auf dem Deck sitzt der Komponist – im Mantel eingeschlossen und mit einem Schal vor der Kälte geschützt – in die Weite blickend. Als Aschenbach das Schiff verlassen und in die Gondel steigen will, belästigt ihn ein zudringlicher, auffällig geschminkter Greis mit anzüglichen Gesten und Redensarten, worauf Aschenbach sich distinguiert abwendet. Der Gondoliere wiederum bringt ihn nicht nach San Marco, wo er den Vaporetto nehmen will, sondern gegen seinen Wunsch direkt zum Lido, an dessen Strand das Grand Hotel des Bains steht. Dort nimmt er Quartier und stellt, dem Ritual des bürgerlichen Lebens entsprechend, zunächst Bilder seiner Frau und seiner Tochter auf. Während er in der Hotelhalle auf das Abendessen wartet und das vierköpfige Hausensemble Teile des Ballsirenenwalzers aus Lehárs Die lustige Witwe spielt, fällt ihm eine Gruppe polnischer Jugendlicher auf, die von einer Gouvernante begleitet wird. Wie gebannt bleibt sein Blick auf dem schönen Knaben Tadzio hängen, der, mit einem englischen Matrosenanzug bekleidet, gedankenverloren in den Raum schaut.
Regisseur Luchino Visconti fühlte sich der deutschen Kultur, Literatur und Musik verbunden und schätzte neben Goethe vor allem Thomas Mann. Diese Affinität werde in seinen Filmen deutlich, die in „deutsche Musik, Mahler, Wagner“ und ins Werk Thomas Manns „eingetunkt“ und wie bei dem verehrten Schriftsteller vom „Geheimnis der Krankheit und des Leidens“ geprägt seien. Dies zeigte sich auch in seinen nächsten Film, dem opulenten Ludwig II. mit Musik Richard Wagners und Robert Schumanns, der nach Die Verdammten und Tod in Venedig das Finale seiner „deutschen Trilogie“ bildet.
Während der Dreharbeiten zu dem umstrittenen Film Die Verdammten, in dem der Name „Aschenbach“ in Gestalt eines von Helmut Griem gespielten SS-Mannes ebenfalls vorkommt, versprach Visconti Bogarde eine Rolle in seinem nächsten Film. Bogarde setzte sich unter anderem gegen Burt Lancaster durch, der ebenfalls an der Rolle des Aschenbach interessiert war. In dem Kriminalfilm Der Teufelskreis hatte er bereits in einem Werk mit homosexuellem Hintergrund mitgewirkt und war für die Darstellung Melville Farrs gelobt worden. Nach der Zusammenarbeit mit Visconti ließ er sich mit seinem Lebensgefährten Anthony Forwood für etwa zwanzig Jahre in Südfrankreich nieder. Für Dirk Bogarde war die Rolle der Höhepunkt, ja das Ende seiner künstlerischen Laufbahn. Er könne zwar weitere Rollen übernehmen, niemals aber hoffen, seine künstlerische Leistung zu übertreffen oder in einem besseren Film mitzuspielen.
Zahlreichen Kritikern gilt Tod in Venedig als Viscontis bedeutendstes Werk und als Musterbeispiel einer gelungenen Literaturverfilmung. Im Literarischen Quartett vom 15. Dezember 1994 erklärte Marcel Reich-Ranicki, dass es – im Gegensatz zu einem „Tatsachen-Mitteiler“ wie Joseph Roth – nicht leicht sei, Thomas Mann zu verfilmen und es viele misslungene Versuche gebe. Eine Ausnahme bilde der Film Viscontis, der keinen einzigen Dialog übernommen und die Novelle völlig neu gestaltet habe, was ihm gut gelungen sei. In einem 1982 im Fernsehen ausgestrahlten Gespräch sagte Golo Mann, nach Verfilmungen der Literatur seines Vaters befragt, dass Thomas Mann die Ansicht „Buch ist Buch und Film ist Film“ vertreten habe und „ganz eindeutig“ für Verfilmungen gewesen sei. Golo Mann benannte Der Tod in Venedig als gelungenste filmische Umsetzung und befand, dass er „ein sehr schöner Film ist, beinahe zu schön“, der „sehr wichtige Aspekte der Novelle vollkommen wiedergibt“. Thomas Mann „wäre begeistert gewesen“ (wenn er den Film erlebt hätte).